Schritt 2: Einen Maßnahmenplan entwickeln

Nach der Analyse Ihrer Ausgangssituation geht es nun darum, die konkreten nächsten Schritte zu planen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie Sie systematisch und mit Augenmaß vorgehen können. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, welche Präventionsmaßnahmen zu Ihrer Schule passen und wie Sie diese erfolgreich in den Schulalltag integrieren. Die Erfahrung zeigt: Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer realistischen Planung, die sowohl die verfügbaren Ressourcen als auch die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt. Sie müssen diesen Weg nicht alleine gehen – regionale Fachstellen, Programmanbieter und Kranken- und Unfallversicherungen unterstützen Sie bei der Planung und Vorbereitung mit ihrer Expertise.

Beratung und Unterstützung

Als zentrale Anlaufstellen vor Ort bieten sie:

  • Beratung zu schulischer Suchtprävention
  • Vermittlung qualifizierter Referenten
  • Fortbildungen für Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter
  • Aktuelle Präventionsmaterialien
  • Vernetzung mit anderen Akteuren

Die Anbieter der in diesem Kapitel vorgestellten Programme unterstützen Sie durch:

  • Implementierungsberatung und -begleitung
  • Qualifizierung der durchführenden Fachkräfte
  • Materialien und Handreichungen
  • Unterstützung bei Förderanträgen
  • Qualitätssicherung und Evaluation
  • Erfahrungsaustausch mit anderen Schulen
Nach dem Präventionsgesetz (§ 20a SGB V) fördern sie:

  • Präventionsprogramme finanziell
  • Implementierung von Maßnahmen
  • Qualitätssicherung
  • Beratung zur Programmauswahl

Die Förderung kann bei allen Krankenkassen beantragt werden.

Die Gemeinde-Unfallversicherungen bieten:

  • Kostenlose Präventionsberatung
  • Fortbildungen für Lehrkräfte
  • Materialien zur Suchtprävention
  • Expertise zur Gesundheitsförderung

Wirksame Maßnahmen für die schulische Suchtprävention

Das Wichtigste vorab:

  • Nicht jedes Programm passt zu jeder Schule – die Auswahl muss zu Ihren Bedarfen und Möglichkeiten passen
  • Beginnen Sie mit einem Programm und bauen Sie schrittweise auf
  • Alle hier vorgestellten Programme sind wissenschaftlich evaluiert und in der Praxis erprobt
  • Die Implementierung braucht Zeit – rechnen Sie mit 3-6 Monaten Vorbereitungszeit
Hintergrund: Wissen, was wirkt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2013 und 2018 die weltweite Studienlage zur schulischen Suchtprävention zusammengefasst und identifiziert, welche Prinzipien in welchem Entwicklungsabschnitt wirksam sind (Tabelle). Die im Folgenden vorgestellten Präventionsprogramme setzen diese Prinzipien um und wurden mindestens in einer aussagekräftigen Evaluationsstudie überprüft

Frühe Kindheit Mittlere Kindheit Frühes Jugendalter Jugendalter Erwachsenenalter
Selektiv
Frühkindliche Bildung
★★★★
Universell
Persönliche und soziale Kompetenz
★★★
Universell
Verbesserung der Klassenführung / Unterrichtsgestaltung
★★★
Selektiv
Maßnahmen zur Erhöhung der Bindung an die Schule
★★
Universell und selektiv
Präventive Bildungsangebote, die auf der Vermittlung persönlicher und sozialer Kompetenz basieren und die Bedeutung sozialer Beeinflussung thematisieren
★★★
Universell
Maßnahmen zur Verbesserung des Schulklimas und der Unterrichtsqualität
★★
Indiziert
Gezielte Maßnahmen zur Adressierung vulnerabler Kinder
★★

Lesehinweis: Hinweis auf Wirksamkeit (★★ ausreichend/ ★★★ gut/ ★★★★ sehr gut).
Universell = für die Gesamtbevölkerung geeignet; selektiv = für besonders gefährdete Gruppen geeignet; indiziert = für besonders gefährdete Personen geeignet.

Auswahlhilfe

Fragen für die Programmauswahl:

  1. In welcher Altersstufe sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf?
  2. Welche zeitlichen und personellen Ressourcen haben Sie?
  3. Wie viele Lehrkräfte können eingebunden werden?

Empfohlene Schrittfolge:

  1. Wählen Sie zunächst ein Programm für eine Jahrgangsstufe aus
  2. Klären Sie die Fortbildungsbedarfe und -möglichkeiten
  3. Planen Sie die Implementierung im nächsten Schuljahr
  4. Evaluieren Sie die Umsetzung, bevor Sie weitere Maßnahmen einführen

Wirksame Präventionsprogramme

Die „Grüne Liste Prävention“ hilft dabei, die oft schwer zu navigierende Landschaft der Präventionsprogramme zu strukturieren und unterstützt dabei, geeignete und wirkungsvolle Maßnahmen für Ihre spezifischen Bedürfnisse und Kontexte zu finden. Wie Sie der Tabelle entnehmen konnten, muss effektive Suchtprävention nicht zwingend Cannabis thematisieren. Wir stellen Ihnen deshalb nachfolgend neben dem Grünen Koffer, Unplugged und REBOUND auch die Programme IPSY, Klasse 2000 und das KlasseKinderSpiel vor.

Weitere unabhängig geprüfte Präventionsprogramme können Sie der „Grünen Liste Prävention“ entnehmen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bietet hier eine Übersicht zu weiteren Angeboten, die im Setting Schule einsetzbar sind. Eine Zusammenstellung aller BZgA-Angebote zur Cannabisprävention, einschließlich Literatur und Info-Material, finden Sie hier.

Grundschule

KlasseKinderSpiel

Zeitaufwand: Kein Zusatzaufwand, wird täglich während des Unterrichts durchgeführt

Das Grundschulprogramm basiert auf lerntheoretischen Grundlagen und wurde vor mehr als 35 Jahren von einem Lehrer in den USA entwickelt (Good Behavior Game). Es ist eine Form der Verhaltenssteuerung durch die Belohnung von positivem Arbeitsverhalten von Schülern während der Arbeitsphasen im Unterricht. Lehrkräfte bekommen in einer halbtägigen Veranstaltung die Inhalte des KlasseKinderSpiels durch Videopräsentationen, Impulsreferate oder Kleingruppenarbeiten vermittelt.

Das Spiel wurde vor mehr als 35 Jahren entwickelt und besitzt eine lange Forschungsgeschichte. Es wurde vielfach erprobt und evaluiert (mehr als 20 Studien in verschiedenen Schularten und mit Schülerschaften verschiedenen Alters von der Vorschule bis zum Jugendalter). Es konnte gezeigt werden, dass das Programm eine bis in das Erwachsenenalter andauernde Wirkung im Bereich Gewalt / Delinquenz (inkl. Mobbing), Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Rauchen und Schulabbruch hat.

Klasse 2000

Zeitaufwand: 12 Einheiten pro Schuljahr à 45 bis 60 Minuten

Klasse2000 ist ein Unterrichtsprogramm zur Gesundheitsförderung, Sucht- und Gewaltprävention für Grundschulkinder der Klassen 1-4. Das Programm vermittelt mit erlebnis- und handlungsorientierten Methoden Wissen über Körper, Bewegung, Ernährung und Entspannung. Zusätzlich werden soziale Kompetenzen wie Gefühlsregulation, Konfliktlösung und Umgang mit Gruppendruck gefördert. Pro Schuljahr führen Lehrkräfte etwa 12 Unterrichtseinheiten durch, unterstützt von Fachkräften der Gesundheitsförderung. Materialien umfassen Schülerhefte, differenzierte Arbeitsblätter, Spiele und digitale Medien.

Das seit 1991 laufende Programm erreicht aktuell über 480.000 Kinder in 22.258 Grundschulklassen. Evaluationsstudien belegen langfristige positive Wirkungen, besonders im Bereich der Suchtprävention. Die Kosten von 250€ pro Klasse und Schuljahr werden meist durch Patenschaften finanziert. Die starke wissenschaftliche Evidenz und breite Implementierung machen Klasse2000 zu einem etablierten Präventionsprogramm im deutschsprachigen Raum.

Weiterführende Schule

Grüner Koffer – Cannabisprävention in der Schule

Zeitaufwand: 4 Stunden

Der „Grüne Koffer“ ist ein manualisiertes Methodenset zur Cannabisprävention für Jugendliche ab 14 Jahren. Das Programm wird von geschulten Fachkräften (Lehrkräfte, Schulsozialarbeit, Suchtprävention) durchgeführt und umfasst neun interaktive Methoden, die in etwa 4 Stunden umgesetzt werden können. Ein begleitender Elternabend ergänzt das Programm. Der Methodenkoffer basiert auf dem Suchtdreieck-Modell und dem WHO-Lebenskompetenzansatz.

Die Evaluationsergebnisse für die 8. Jahrgangsstufe zeigen Wirksamkeitsnachweise auf der Verhaltensebene. Das Programm trägt zur Entwicklung einer kritischen Cannabiskonsumhaltung bei, fördert die Reflektion eigener Einstellungen und vermittelt Wissen über körperliche und psychische Auswirkungen sowie rechtliche Folgen des Cannabiskonsums. Die Methoden können je nach Bedarf und zeitlichen Rahmenbedingungen flexibel eingesetzt werden.

IPSY – Information und psychosoziale Kompetenz

Zeitaufwand: Klasse 5 (10 Einheiten à 90 Minuten und 5 Einheiten à 45 Minuten), Auffrischungssitzungen in Klasse 6 und 7 (4 Einheiten à 90 Minuten und 3 Einheiten à 45 Minuten)

IPSY ist ein manualisiertes Lebenskompetenzprogramm zur Primärprävention von Alkohol- und Tabakmissbrauch. Es ist interaktiv, speziell auf Jugendliche zugeschnitten, lebensweltorientiert und wird von geschulten Lehrkräften in den Klassenstufen 5 bis 7 durchgeführt.

Die Ergebnise der Evaluationsstudie zeigten, dass „IPSY“ den Alkohol-Erstkonsum bei Jugendlichen langfristig hinausgezögert, den Anstieg der Konsumhäufigkeit reduziert, den alterstypischen Konsumanstieg des Rauchens oder Alkoholtrinkens eindämmt, die Distanz zukünftigen Konsums stärkt und die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Peerdruck fördert und erhöht.

Unplugged – Suchtprävention im Unterricht

Zeitaufwand: 12 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten

Unplugged“ ist ein manualisiertes Unterrichtsprogramm für Schulen zur Prävention des Konsums und Missbrauchs legaler und illegaler Substanzen bei 12 bis 14-jährigen. Es wird von weitergebildeten Lehrkräften in der 7. oder 8. Klassenstufe durchgeführt. Das Programm kombiniert die Korrektur normativer Überzeugungen über Substanzkonsum mit der Förderung von Sozial- und Lebenskompetenz.

Die Ergebnisse der Evaluationsstudie zeigten positive Effekte bezüglich der Verringerung von Erstkontakten mit psychoaktiven Substanzen, einen deutlichen Rückgang des Tabak-, Alkohol- und Cannabiskonsumrisikos und anhaltende positive Effekte bei Phasen des Rauschtrinkens und des regelmäßigen Cannabiskonsums.

REBOUND – Lernen, mit Risiken umzugehen

Zeitaufwand: 12 bis 16 Unterrichtseinheiten à 90 Minuten

REBOUND ist ein manualisiertes Risikokompetenzprogramm für Jugendliche ab 14 Jahren. Das Programm umfasst Elemente der Verhaltens- und Verhältnisprävention und wird an Schulen von weitergebildeten Fachkräften (Lehrkräfte, Sozialarbeit) in der 9. oder 10. Klassenstufe durchgeführt.

Die Ergebnisse der Evaluationsstudie zeigten bereits nach sechs Monaten einige positive Effekte. REBOUND trägt zu einem kontrollierten Gebrauch von Alkohol bei, zu einer Reduktion von Betrunkenheitserfahrungen, zeigte eine Zunahme an Wissen über psychoaktive Substanzen und einen Rückgang des Cannabiskonsums.

Checkliste: Haben Sie an alles gedacht?

Programm und Zielgruppe
  • Handlungsbedarf für bestimmte Jahrgangsstufe(n) geklärt
  • Passung des Programms zu Schulprofil/Schulart geprüft
  • Zeitliche und personelle Ressourcen realistisch eingeschätzt

  • Mit nur einem Programm/einer Jahrgangsstufe zum Start geplant

Ressourcen
  • Fortbildungsbedarf ermittelt

  • Koordination im Kollegium geklärt

  • Unterstützung der Schulleitung gesichert

  • Mögliche Fördermittel geprüft

Nächste Schritte festgelegt
  • Ansprechpartner für Unterstützung identifiziert

  • Zeitplan für nächstes Schuljahr skizziert

  • Evaluation eingeplant

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